Heute möchte ich über ein Thema berichten, dass mir sehr am Herzen liegt. Ich möchte euch von meiner Gastschwester Sofia erzählen.
Sofia ist 31 Jahre alt und geistig behindert. Ich kann leider nicht genau erklären, welche Art von Behinderung sie hat, da dafür mein Spanisch nicht ausreichend ist. Ich weiß nur, dass es während ihrer Geburt Komplikationen gab. Das hat mir meine Gastmutter erzählt.
Aber was ich euch sagen kann ist, dass sie ein sehr netter und lieber Mensch ist. Sie redet viel und das auch sehr gerne. Berichten tut sie alles, was sie mitbekommt, sei’s die Nachrichten, das Wetter oder was die Leute so erzählen. Aufgewachsen ist Sofia mit ihrer Familie in San José, im Stadtteil Desamparados. Dort ist sie in den Kindergarten und in die Schule gegangen. Sie hat einen Schulabschluss und sogar, soweit ich weiß, eine Art Universitätsabschluss.
Allerdings sind das auch alle Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung hier in Costa Rica. Es ist wirklich schwer, eine Arbeit zu finden oder zumindest einen Ort, an dem sie arbeiten können. In San José gibt es sie vielleicht, wenn auch sehr eingeschränkt, aber hier in Liberia, fernab der Hauptstadt, gibt es kaum welche bis gar keine. Das bedeutet, dass Sofia seit ihrem Abschluss zu Hause ist und so gut wie nie das Haus verlässt. Sie besucht ab und zu die Verwandten, die hier in der Nähe wohnen, wenn ihre Mutter mit dabei ist oder sie trinkt unten bei der Oma einen Kaffee und guckt Fernsehen. Weitere Möglichkeiten gibt es nicht. Durch die wenige Bewegung und das ständige essen (vermutlich auch wegen der Langeweile) leidet Sofia zusätzlich unter Adipositas, weshalb sie sich noch weniger bewegen möchte. Dazu kommen Rücken- und Gelenkschmerzen und schlechte Ausdauer. Doch ist sie gern im Wasser. Ihre Mutter möchte sie zur Wassergymnastik anmelden, damit sie wieder fitter wird. So ist jedenfalls der Plan. Auch auf die Ernährung soll mehr geachtet werden. Das ist nicht so einfach, weil viele Lebensmittel sehr zuckerhaltig sind.
Bis vor einiger Zeit hat sie mit ihrer Mutter zusammen sehr schönen Schmuck hergestellt, mit Perlen und Silberdraht. Aber nun möchte sie nicht mehr.
Sie ist eine sehr intelligente Frau und strebt nach Wissen. Sie ist eigensinnig und hat einen starken Charakter. Manchmal erzählt sie mir, was sie eigentlich möchte. Sie wünscht sich, in einem kleinen Haus, mit einer schönen Küche, in San José zu leben.
Damit sie weiter die Gegend betrachten kann, sollte das Haus auch einen Balkon oder zumindest Fenster haben, da das auch ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Das Essen sollen die Eltern schicken und sie macht es dann warm. Das Problem wäre eigentlich nur, das Geld zum Finanzieren dieser Dinge. Arbeiten möchte sie für die Regierung. Am besten mit Walkie-Talkies und sie möchte vom Präsidenten zum Kaffeetrinken eingeladen werden.
Mich macht es sehr traurig, da ihr die Möglichkeiten fehlen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Es gibt kaum Programme oder Hilfe für Menschen mit Behinderung hier und wenn ja, dann nur privat und das können sich die meisten nicht leisten.